
Früher gab es in Hanau nur zwei evangelische Kirchen, die Marien- und die Johanneskirche. Und das war gegenüber anderen Städten schon eine Besonderheit, vielerorts gab es nur eine. Aber in Hanau lebten sowohl lutherische (in der Johanneskirche) wie reformierte Evangelische (in der Marienkirche). Daneben gibt es schon seit über 400 Jahren die Wallonisch-Niederländische Gemeinde, die von den anderen aber unabhängig war und bis heute noch ist. Lutherische und reformierte Gemeinde hatten sich 1818 zusammengeschossen und so die sogenannte Hanauer Union gegründet; das haben wir vor vier Jahren gefeiert.
Alle diese Kirchen liegen in der Innenstadt. Als die Stadt größer wurde, hat man begonnen, auch außerhalb der Innenstadt Kirchen zu errichten und neue Gemeinden zu gründen, zuerst 1930 die Christuskirche, die aus der Marienkirche entstand. Nach dem Krieg war es dann 1954 die Kreuzkirche, die als eigene Gemeinde aus der Johanneskirche ausgegliedert wurde.
Man wollte als Kirche dort sein, wo die Menschen wohnen. Deshalb wurde die zerstörte Johanneskirche in der Frankfurter Landstraße neu errichtet und nicht in der Innenstadt. Die Alte Johanneskirche wurde als Gemeindezentrum neu aufgebaut – was sie seit ihrer Sanierung 2018 ja wieder ist.
Und es gab viel zu tun damals: Die Gemeindegliederzahlen waren erheblich. Zum Beispiel hatte die Kreuzkirche 1965 ca. 7.500-8.000 Gemeindeglieder und fast 150 Konfirmanden jährlich. Im Stadtteil Lamboy waren viele Flüchtlinge heimisch geworden und viele Menschen, die ihre Innenstadtwohnung in der Bombennacht 1945 verloren hatten. Deshalb wurde 1966 in der Karl-Marx-Straße eine neue Kirche eingeweiht. Der Bedarf war einfach da.
Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Mittlerweile hat die gesamte Stadtkirchengemeinde nur noch etwa 6.500 Mitglieder, weniger als jede der vier Einzelgemeinden früher. Das ist vor allem auf die allgemeine demografische Entwicklung zurückzuführen. Damit sind aber auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer auf ein Bruchteil gesunken. So ist es kein Wunder, dass vieles zu groß geworden ist und der umfangreiche Bestand an Gebäuden nicht mehr getragen werden kann. Die notwendigen und oft sehr kostspieligen Reparaturen sind nicht mehr zu finanzieren, ebenso wie die fachgerechte Betreuung durch Hausmeister. Aber diese Entwicklung gibt es nicht nur in Hanau, sondern in vielen vergleichbaren Städten.
Wir müssen uns also wieder verkleinern und – so sieht es aus – die Entwicklung der Aufbruchsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurückdrehen. Das bedauern wir sehr, doch uns bleibt keine andere Wahl. Aber es gibt uns hoffentlich Luft für den schon eingeschlagenen Weg in die Zukunft. Und auf die freuen wir uns schon ...
Michael Ebersohn
Bild oben: Die beiden Hanauer Kirchen im Altstadtmodell, Marienkirche vorne links, Johanneskirche hinten rechts
rechts oben: (Neue) Johanneskirche an der Frankfurter Landstraße
links unten: Kreuzkirche in der Karl-Marx-Straße, die jüngste Kirche der Stadtkirchengemeinde, 1966 eingeweiht