
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wann haben Sie das letzte Mal Sekt getrunken? Vielleicht ist das schon eine Weile her. Vielleicht war das aber erst gestern. Und vielleicht mögen Sie auch keinen Sekt oder trinken aus anderen Gründen keinen Alkohol. Wie auch immer, normalerweise ist Sekt ein Getränk für besondere Gelegenheiten. Das kann ein Geburtstag sein, eine Hochzeit, eine bestandene Prüfung. Doch der meiste Sekt wird aber wohl zum Jahreswechsel getrunken. Man feiert, dass etwas Neues beginnt. Das neue Jahr nämlich.
Mein früherer Pfarrerkollege an der Kreuzkirche, Stefan Axmann, hat meistens nach dem Gottesdienst am ersten Advent zu einem Glas Sekt eingeladen. Das mag den einen oder die andere irritiert haben, aber es passt. Denn die Kirche feiert am ersten Advent ein neues Jahr, Neujahr also, und da trinkt man normalerweise Sekt. Auf das Feuerwerk hat er in der Regel verzichtet, aber die Knallerei an Silvester sehen viele ohnehin kritisch.
Ein neues Jahr also, ein neues Kirchenjahr, um genau zu sein. Denn das Kirchenjahr lehnt sich an die biblische Geschichte an und feiert bestimmte Begebenheiten aus dem Leben Jesu. Angefangen mit der Geburt natürlich, das ist Weihnachten. Und weil zu so einem großen Fest immer auch eine Zeit der Vorbereitung gehört – und das ist nicht nur in unseren Haushalten so, sondern auch in der Kirche –, stehen vor dem Weihnachtsfest gut vier Wochen, in denen man sich einschwingen kann, vor allem in seinem Herzen, in seinem Gefühl: der Advent. An Ostern erinnern wir uns an Jesu Tod und Auferstehung, an Pfingsten an die Geburt der Kirche und nach den langen Sommerwochen, die in gewisser Weise unsere Lebenszeit widerspiegeln, endet das Kirchenjahr mit dem Gedenken an den Tod und dem Ausblick auf die Ewigkeit. Am ersten Advent beginnt das Ganze dann wieder neu.
Es ist also ein Kreislauf, und der ist immer auch geprägt von Ende und Anfang, von Alt und Neu, von Vorher und Nachher. Diese Erfahrung haben Menschen schon immer gemacht und haben darin eine Grundkonstante des Lebens erkannt. Und das im Kleinen wie im Großen. Denn auch das Leben verläuft oft in solchen Kreisen. Da wird zum Beispiel kurz vor oder nach dem Tod der Großmutter ein Enkel geboren. Ein Leben endet, ein neues entsteht. Und letztendlich glauben wir als Kirche ja daran, dass es nach dem Tod ein neues Leben geben wird, ein Leben bei Gott, eine andere Form von Leben in Gottes Reich.
Dass man sich also solch einem Wechsel bewusst wird und ihn feiert, liegt nahe. Auch das haben Menschen schon immer gemacht, ob mit Sekt oder mit Gruselmasken – denn auch Halloween kommt aus der Vorstellung, dass es zwischen Ende und Anfang des Jahreskreises eine kleine Lücke gibt, durch die die Geister in unsere Welt hindurchdringen.
Immer wieder gibt es auch im persönlichen Leben solch einen Wechsel von Alt zu Neu. Manchmal fällt es dabei schwer, das Alte zu beenden, weil man nicht weiß, was kommen wird. Das kann Angst und Unsicherheit auslösen und man wünscht sich »die alten Zeiten« zurück. Aber oft bieten sich gerade dann neue Perspektiven, mit denen man nicht gerechnet hat. Und am Ende ist man froh für diesen Wechsel. Manchmal nimmt das Leben eben ungeahnte Wendungen.
Für mich steht solch ein Wechsel an, denn mit Beginn des neuen Jahres trete ich in den Ruhestand. Wahrscheinlich werde ich darauf auch ein Glas Sekt trinken. Aber es gehört immer auch ein bisschen Wehmut dazu. Denn ich lasse neben der Freude auf die neue Lebensphase auch viele, viele gute, schöne und prägende Erfahrungen zurück, die sich so nicht wiederholen werden. Viel hat sich ereignet in meinen 24 Jahren in Hanau und Umgebung, viel hat sich verändert, nicht alles hat geklappt. Aber Spaß gemacht hat es. Insgesamt war es eine gute und schöne Zeit, in der ich viele prächtige Menschen kennengelernt habe, an die ich gerne und mit Dankbarkeit zurückdenke. Einige von Ihnen werde ich womöglich wieder einmal treffen, denn ich bleibe ja in Hanau wohnen.
So wünsche ich Ihnen zunächst einen guten Kirchenjahreswechsel und auch für die weiteren Neubeginne, die Sie erleben werden, Freude, gute Erfahrungen und viel Kraft aus Gottes reichem Segen.
Ihr
Pfarrer Michael Ebersohn